Übergänge, Chancen, Gerechtigkeit – 4. Trialog zwischen Wissenschaft, Praxis und Politik

←  Zurück zur Übersicht

Bielefeld, 17. März 2016. Positiver hat der deutsche Arbeitsmarkt in den letzten Jahren nie dagestanden. Er zeigt sich robust und bemerkenswert stabil. Das lässt auf Chancen auch für Menschen hoffen, denen der Zugang zu ihm bisher nicht geglückt ist.

Bemerkenswert stabil ist aber nicht nur das Phänomen „unversorgter“ Jugendlicher, sondern auch deren absolute Zahl. Wer sich in der Jugendberufshilfe, in Jobcentern, bei der Arbeitsagentur, bei Jugendhilfeträgern oder auf der Straße umschaut, stößt auf einen verfestigten Kern junger Menschen, denen der Zugang zur Ausbildung nicht gelingt. Bemerkenswert stabil ist, mindestens äußerlich, schließlich auch das sogenannte „Übergangssystem“. Seine Existenz trotzt bisher jedem Versuch, es durch eine erfolgreiche Reform entbehrlich zu machen. Wirken hier zweckwidrige Beharrungskräfte? Oder müssen wir die Perspektive ändern: von der mehr als 30-jährigen Befristung hin zur Anerkennung, dass wir ein solches System dauernd benötigen? Und wenn ja: welches System denn? Brauchen  wir mehr Freiräume für den Einzelnen, damit er sich verwirklichen kann? Oder mehr Steuerung, um individuelle Nachteile auszugleichen? Oder beides in einem anderen Verhältnis?

Vorträge | Referenten:

  • Risiken und Nebenwirkungen von Chancengleichheit |  Prof. Dr. Martin Heinrich, Universität Bielefeld
  • Chancengerechtigkeit heute: Realitäten, Hilfen und Perspektiven |  Anette Seyer, Berufskolleg am Tor 6
  • Desintegration und das Risiko von Fundamentalismen |  Prof. Dr. Andreas Zick, Universität Bielefeld
  • Szenario 1: Individualisierung der Förderung, Abkehr vom Zielgruppenkonzept / Biografisierung und Professionalisierung | Prof. Dr. Katharina Gröning, Universität Bielefeld
  • Szenario 2: Weiterentwicklung des Übergangssystems und der zielgruppenorientierten Förderung | Bernhard Nagel, LAG örtlich regionaler Träger der Jugendsozialarbeit NRW
  • Impulsreferat: Rahmenbedingungen und Entwicklungsperspektiven des Übergangssystems in Zeiten von Inklusion, Flüchtlingskrise und demografischem Wandel | Prof. Dr. phil. habil. Dietmar Heisler, HAW Landshut

 

3. Symposium des Vereins BAJ : „Das Übergangssystem – Anspruch und Wirklichkeit. Perspektiven für eine Weiterentwicklung.“

←  Zurück zur Übersicht

Bielefeld, 26.11.2013. Unbesetzte Ausbildungsplätze in Betrieben und gleichzeitig immer noch viele Jugendliche, die keinen Ausbildungsplatz finden: wie kann dieses Problem besser gelöst werden? Im Zentrum für interdisziplinäre Forschung kamen auf Einladung des wissenschaftlichen Beirats des Vereins BAJ Wissenschaftler, Praktiker und Politiker zusammen, um diese Frage zu erörtern und Lösungen zu diskutieren.

Im Leitvortrag stellte Prof.Dr. Heike Solga, Direktorin der Abteilung „Ausbildung und Arbeitsmarkt“ am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung, aktuelle Forschungsergebnisse vor. Ihr Fazit: von alleine wird die betriebliche Ausbildung benachteiligter Jugendlicher nicht gelingen. Es bedarf ergänzender Maßnahmen. Und: die alten Rezepte greifen nicht mehr, wir brauchen neue Ansätze, um Jugendliche in Ausbildung zu bringen. Prof. Solga richtete dabei ihren Blick z.B. auf Dänemark, wo die Ausbildungsdauer stärker flexibilisiert ist und Ausbildung in gemeinsamer Verantwortung von Betrieben, Ausbildungszentren und Schulen umgesetzt wird. Verbesserungen regten die Referenten und Teilnehmer auch noch zu zwei anderen Aspekten an: eine andere Pädagogik, die Unterschiede von Schülern produktiver nutzt, und eine bessere institutionelle Absicherung von Hilfen zum Übergang für Jugendliche.

Einig waren sich die Teilnehmer darin, dass sie dafür ihren Dialog miteinander verbessern müssen. Und Politiker in Land und Bund täten gut daran, sich mehr Rückmeldungen aus der Praxis und aus der Wissenschaft dafür zu holen, was sinnvoll getan werden kann. Prof. Dr.Dieter Timmermann, ehemaliger Rektor der Universität Bielefeld und Moderator der Veranstaltung stellte in seiner Zusammenfassung fest, dass der Dialog mindestens mit diesem Symposium gut gelungen ist.

Die Broschüre zur Veranstaltung kann kostenlos angefordert werden.

Vorträge, Themen, Referenten der Veranstaltung:

Vortrag: Teilhabe statt Exklusion: Wie der Übergang in eine Ausbildung auch für leistungsschwache Jugendliche besser gelingen kann

  • Prof. Dr. Heike Solga, Direktorin der Abteilung „Ausbildung und Arbeitsmarkt“ Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB)

Vortrag: Jugendliche im Übergangssystem: Welche Rolle spielen Faktoren wie Sicherheit und Unsicherheit

  • Prof. Dr. Rudolf vom Hofe, Universität Bielefeld, Institut für Didaktik der Mathematik

AG 1: Berufsorientierung in der Schule: Realitäten, Anforderungen, Perspektiven

  • Claudia Hilse, REGE mbH, Kommunale Koordinierung Übergang Schule Beruf, Leitung

AG 2: Unterrichtliche Arbeit mit Benachteiligten – Situation und Perspektiven

  • Anette Seyer, Berufskolleg am Tor 6, Schulleiterin
  • Christian Löhr, Universität Bielefeld, Research School Education and Capabilities Bielefeld

AG 3: Herausforderungen an die pädagogische Haltung in multiprofessionellen Teams

  • Prof. Dr. Katharina Gröning, Universität Bielefeld, Fakultät für Erziehungswissenschaft

Diskussion und Abschluss

  • Prof. Dr. Dieter Timmermann, Universität Bielefeld, Fakultät für Erziehungswissenschaft, ehem. Rektor der Universität Bielefeld (Moderation)

 

 

2. Symposium „Jugend und gesellschaftliche Verantwortung – Zu viel(e) System(e) am Übergang Schule/Beruf?“

←  Zurück zur Übersicht

Trotz des demographischen Wandels gibt es heute immer noch zahlreiche Jugendliche, die benachteiligt sind und auf dem Arbeitsmarkt wenig Chancen haben. Der Förderbedarf dieser Gruppe ist hoch, besonders im Übergang Schule und Beruf.

Bielefeld, 4. Mai 2011. Gut 100 Teilnehmer aus Wissenschaft, Politik, Wirtschaft, anderer Bildungsträger, Rege und der Agentur für Arbeit konnte Brigitte Reckmann, Vorsitzende des BAJ, jetzt im Jugendgästehaus begrüßen. „Wir müssen hinterfragen, ob einerseits die Lösungsangebote geeignet sind, um die Probleme der jungen Menschen zu lösen und es andererseits zu viele Systeme am Markt gibt “, sagte Brigitte Reckmann in ihrer Begrüßung. Sie sei froh, dass das Interesse an diesem Thema besonders groß ist und viele Fachleute der Einladung des BAJ, der wie Reckmann sagt „die Forschungs- und Entwicklungsabteilung in Sachen Jugendlicher“ ist,  gefolgt sind. „Denn als Erwachsene tragen wir die Hauptverantwortung für die Jugendlichen“, erklärte sie.

Der Erziehungswissenschaftler Prof. Dr. Dieter Timmermann von der Universität Bielefeld referierte über die Folgen des demographischen Wandels auf die beruflichen Vollzeitbildungsgänge, das dualen Systems der Berufsausbildung und das Übergangssystem. Seit Mitte der 90er Jahre habe das Übergangssystem eine mächtige Rolle im Ausbildungssystem eingenommen, so Timmermann und das Bundesland NRW habe einen relativ hohen Anteil an Jugendlichen im Übergangssystem. Zur demographischen Entwicklung sagte der Erziehungswissenschaftler, dass es zum einen in Deutschland ein Abwanderungssaldo gebe, andererseits bereits jetzt die Diskussion um den Fachkräftebedarf bestehe. Insgesamt werde es ein geringeres Arbeitskräfteangebot und einen relativ ausgeglichenen Ausbildungsmarkt geben. Die Nachfrage im Übergangssystem werde sinken, so die Prognosen von Professor Timmermann. Aber „man wird sich dann nicht beruhigt zurücklehnen können, 2025 wird immer noch eine 6-stellige Zahl an Jugendlichen zu versorgen sein,“ sagte der Professor, und „der demographische Wandel löst das Problem nicht.“ Die Politiker seien gefragt, die Situation zu beobachten, denn „Deutschland kann es sich nicht erlauben, so viele arbeitslose Jugendliche zu haben,“ lautete Timmermanns Aussage.

Prof. Dr. Katharina Gröning von der Universität Bielefeld blickte unter anderem auf die Arbeitsbedingungen der Pädagogen. „Die Arbeit der Pädagogen ist unter dem Einfluss des Wettbewerbs in der Jugendberufshilfe anders geworden, die eigentliche Arbeit hat darunter gelitten“, sagte Gröning. Es gebe oft nur noch befristete Arbeitsverträge, der psychische Druck sei gestiegen, es komme immer häufiger zu Fehlzeiten. Professorin Gröning spricht vom Arbeitskraftunternehmer, der immer mehr mit „verdeckter“ Arbeit zu tun habe. „Akquise und Qualitätssicherung rücken immer mehr in den Vordergrund, die Arbeit mit den Jugendlichen leidet darunter“, so die Professorin für Erziehungswissenschaften. Und die hohe Zunahme des Wettbewerbs in der Jugendberufshilfe habe zu einer erhöhten Unsicherheit unter den Pädagogen geführt und habe somit eine verminderte Qualität ihrer Arbeit zur Folge. „Ich appelliere daran, dass die Bedingungen für Pädagogen besser werden“, lautete ihr Fazit.

Prof. Dr. Holger Ziegler von der Universität Bielefeld ging auf die Wirkungsorientierung in der Jugendhilfe und Jugendberufshilfe ein. Grundsätzlich vertrat er die These, dass das deutsche duale Ausbildungssystem im europäischen Vergleich gut ist. In seinem Referat beleuchtete er jedoch die Problematik der Messung der Wirkung der Sozialarbeit. Die Wirkungsorientierung in der Jugendhilfe müsse ernst genommen werden. Professor Ziegler betonte eine notwendige Wiederentdeckung der Wirksamkeit von Professionalität in der Jugendarbeit. Die Arbeit dürfe nicht zu sehr strukturiert sein, sondern es müsse auch einen Spielraum realer Handlungs- und Entscheidungsmöglichkeiten geben, so der Professor für Erziehungswissenschaften an der Universität Bielefeld.

Den Vorträgen schloss sich eine rege Diskussion des Fachpublikums an. Dabei überwog die Meinung, dass die gegenwärtigen Rahmenbedingungen eine professionelle Unterstützung Jugendlicher oft nicht mehr fördern. Ein Grundrezept zur Lösung dieses Problems hatten aber weder die Referenten noch das zahlreiche Publikum. Das Spannungsverhältnis zwischen den Polen „Wirtschaftlichkeit“ und „professionelle Bedingungen für eine erfolgreiche Arbeit“ ließ sich im Rahmen dieses Symposiums nicht auflösen.

Das 2. Symposium hat sich thematisch der Problemanalyse gewidmet. Der wissenschaftliche Beirat des Vereins BAJ plant eine Folgeveranstaltung, die sich mit möglichen Lösungsansätzen beschäftigt.

Vortragsthemen und Referenten

  • Was folgt aus dem demografischen Wandel für die beruflichen Vollzeitbildungsgänge, das duale System der Berufsausbildung und insbesondere für das Übergangssystem? (Prof. Dr. Dieter Timmermann, ehem. Rektor der Universität Bielefeld) Download
  • Angstphänomene in Teams und Gruppen der Jugendberufshilfe und sozialen Arbeit – die andere Seite der Modernisierung des Übergangssystems  (Prof. Dr. Katharina Gröning, Universität Bielefeld) Download
  • Wirkungsorientierung in der Jugendhilfe und Jugendberufshilfe (Prof. Dr. Holger Ziegler, Universität Bielefeld) Download

 

1. Symposium der Reihe "Jugend und gesellschaftliche Verantwortung" - Verwirklichungschancen im Wettbewerb

←  Zurück zur Übersicht

Bielefeld, 20.03.2009. Nie waren die beruflichen Möglichkeiten für Jugendliche theoretisch so groß wie heute: Fast 400 Ausbildungsberufe stehen zur Auswahl und fast täglich gibt es neue Entscheidungsalternativen. Insbesondere benachteiligte Jugendliche sind jedoch häufig chancenlos: Die vielfältigen Optionen stehen ihnen praktisch nicht zur Verfügung. So haben sie im ständigen Wettbewerb mit anderen durch ihre schlechtere Ausgangsposition oft das Nachsehen, und zwar nicht nur jetzt in der wirtschaftlichen Krise.

 

In dem Symposium wurde den Fragen nachgegangen, in welcher Situation sich Jugendliche heute befinden, wie sich Rollen und Verantwortung im gesellschaftlichen Kontext verändert haben und welche Lösungsansätze künftig notwendig sind, um insbesondere die Situation benachteiligter Jugendlicher in Bezug auf Beschäftigung zu verbessern.

Experten aus Wissenschaft und Politik referierten vormittags zu zentralen Themen. Am Nachmittag hatten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer Gelegenheit, sich an Diskussionen in Fachforen zu beteiligen. Bei allen Differenzen im Detail stand als Fazit der Tagung einmütig: Wenn wir wollen, dass Jugendliche ihre Verwirklichungschancen realisieren, dann müssen wir systemisch umsteuern und finanziell unterstützen, dass Jugendliche Selbstverantwortung auch entwickeln können.

Die Veröffentlichung der Beiträge des Symposiums stellen einen Diskussionsbeitrag in der Debatte um die beruflichen Entwicklungschancen von Jugendlichen dar.

Die Broschüre kann kostenlos angefordert werden.

Themen und Referenten:

Arbeitsmarktentwicklung und Verwirklichungschancen: aktuelle Situation und Perspektiven der Jugend
Prof. Dr. Dieter Timmermann, Universität Bielefeld, Fakultät für Erziehungswissenschaft, Rektor der Universität Bielefeld

Die Dramatik des Übergangs aus der Schule in die Berufsausbildung
Dr. Joachim Lohmann. Stadtschulrat und Finanzstaatssekretär a.D.

Die gesellschaftliche Verantwortung der mittleren Generation für die Jugend
Prof. Dr. Katharina Gröning, Universität Bielefeld, Fakultät für Erziehungswissenschaft

Prekäre Lebenslagen Jugendlicher in Bielefeld: Welche Lösungsansätze verfolgt die Stadt Bielefeld?
Tim Kähler, Sozialdezernent Stadt Bielefeld

Arbeitsgruppen mit Impulsreferaten

Bindungsfähigkeit als Basis für Verantwortungsübernahme: zur Lage der Jugend anhand von Fallstudien
Dr. Cornelia Hoffmann, Universität Bielefeld

Warum rechnet es sich auch ökonomisch, Verantwortung für die Jugend zu übernehmen?
Dr. Joachim Lohmann. Stadtschulrat und Finanzstaatssekretär a.D.

Kinder und Jugendliche als Experten  ihrer Lebenswelt, aktuelle Befunde aus der Forschung
Prof. Dr. Sabine Andresen, Universität Bielefeld